… Heinrich Strößenreuther

1. Im Jahr 2018 haben Sie mit dem Volksentscheid Fahrrad ein Mobilitätsgesetz für Berlin erwirkt. Der Erfolg hat bundesweit viele Nachfolgeprojekte angestoßen. Was hat sich seitdem im Bereich Verkehrswende getan?

«Über 50 Radentscheide und das Mobilitätsgesetz haben Radverkehrspolitik bundesweit auf die verkehrspolitische Agenda gesetzt. In nahezu jeder Konferenz wird das Thema angesprochen; die zunehmende Akzeptanz der Radverkehrspolitik gibt gewählten Politikern Rückhalt bei Flächenkonflikten. Auf bundes- und landespolitischer Ebene wurden Veränderungen umgesetzt, die ohne diese Bürgerentscheide kaum möglich gewesen wären. Die PR-Leistung dieser Entscheidungen hat sichtbar mehr Menschen zum Radfahren motiviert – der Radverkehr wächst schneller, als es die vorhandene Infrastruktur erlaubt.»
Radverkehr bleibt der schnellste, günstigste und wirksamste Hebel für nachhaltige kommunale Verkehrspolitik.
Heinrich Strößenreuther | NGO-Gründer, Buchautor, Keynote-Speaker
2. In der Berliner Kantstraße zeigt sich aktuell, wie der ‹Kulturkampf› zwischen Rad und Auto aussehen kann. Welche Rolle kommt den verschiedenen Akteuren (Politik, Verbände, Auto- und Fahrradfahrer:innen) zu, um die Verkehrswende nicht gegen-, sondern miteinander zu gestalten?

«Dieser ‹Kulturkampf› ist eher inszeniert als real. Es geht um Privilegien und Platz, aber nicht um Kultur. Einige Medien und Politiker nutzen den Begriff gezielt, um Aufmerksamkeit zu erzielen, oft auf Kosten moderater Stimmen. Ich plädiere dafür, für verschiedene Perspektiven die Vorteile herauszustellen, denn auch für Autofahrer bringt der von mir 2020 erkämpfte Radweg Vorteile. Der Verkehr fließt besser, es gibt weniger Staus durch Zweite-Reihe-Parker, und Autorennen werden verhindert – ein Gewinn für alle, für moderate Autofahrer genauso angenehm wie für den Radverkehr, der um 300% gewachsen ist.»


3. Ihr Buch Die Verkehrswesen ist letztes Jahr erschienen. Was war Ihre Motivation, dieses Buch zu schreiben?

«Wenn jeder für sich schreit, ist keinem geholfen. Unsere Motivation war, Brücken zwischen den ‹Verkehrsvölkern› zu bauen und Verständnis für die andere Perspektive zu schaffen. Statt in getrennten Bubbles zu verharren, wollten wir das Verbindende stärken. Unser Ziel: Konflikte benennen, Verständnis fördern und schneller gemeinsame Lösungen finden und umsetzen.»


4. Als ehemaliges Grünen- und nun CDU-Mitglied sowie als Aktivist haben Sie eine Bandbreite an politischen Betätigungsformen begleitet. Was erwarten Sie beim Thema Fahrrad von zukünftigen Regierungen?

«Radverkehr bleibt der schnellste, günstigste und wirksamste Hebel für nachhaltige kommunale Verkehrspolitik. Ich erwarte mehr Leadership, smarte Change-Strategien und entschlossenes Umsetzen und Skalieren bekannter Lösungen – begleitet von verbindender Kommunikation im Sinne unserer ‹Verkehrswesen›-Mission.»


Danke für Ihren Beitrag, lieber Herr Strößenreuther!


November 2024
Bildnachweis: Heinrich Strößenreuther



Kluge Köpfe im ZIV-Kurz-Interview – Im Interviewformat «4 Fragen an…» kommen spannende Persönlichkeiten aus dem Ecosystem Fahrrad und seinem Umfeld zu Wort. Begrenzt auf vier Fragen des ZIV geben Sie Einblicke in ihre Gedanken, Erfahrungen und Visionen – knapp, prägnant und auf den Punkt.
4 Fragen an …

… Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck

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