Gravel- und Rennräder im Trend – besonders bei Frauen

Die Fahrradbranche befindet sich in wirtschaftlich durchwachsenen Zeiten: nach dem großen Boom der Corona-Pandemie schwächelten die Absätze vieler Unternehmen in den Folgejahren. Seit diesem Jahr erholt sich der Markt insgesamt wieder, wie die Marktdaten des ZIV zeigen. Vor allem im Segment der sportlichen Fahrräder ist aber schon länger ein robuster Aufschwung zu beobachten. Und immer mehr Frauen entdecken diesen Trend für sich.
Mischung aus Adventure und Alltag
Neben Rennrädern erfreuen sich derzeit ganz besonders Gravelbikes an Beliebtheit bei den Kundinnen und Kunden. Das sind offroad-taugliche Fahrräder, die schnittige Rennradlenker mit breiten Reifen kombinieren und somit auch für das zügige Fahren auf schlechteren Straßen, Schotterpisten und im Gelände gemacht sind. Dadurch können sie eine breite Zielgruppe ansprechen: Ob Tour durchs Gelände oder die sportliche Ausfahrt auf Asphalt, ob Freizeitfahrt oder Arbeitsweg – Gravelbikes sind wahre Alleskönner und daher im Markt sehr beliebt. Sie werden mit und ohne Beleuchtung und Gepäckträger angeboten, je nach Geschmack der Kund:innen. «Unternehmen, die sich auf dieses Fahrrad-Segment spezialisiert haben, erfreuen sich momentan an einem guten Geschäft», so Katharina Hinse, Leiterin für Wirtschafts- und Industriepolitik beim ZIV. Auch sogenannte Microadventures werden gerade bei jungen Menschen immer populärer: raus ins Grüne, rein ins kleine Kurzzeit-Abenteuer – und das direkt vor der Haustür, auf dem Sattel des eigenen Bikes.
«Das neue Yoga» – Trend in den Stores und auf den Straßen
Dieser Trend macht sich nicht nur in den Fahrradläden bemerkbar: In vielen Städten gibt es Fahrrad-Treffs, in denen das Hobby gemeinschaftlich ausgeübt wird. Unternehmen wie Canyon, Standert Bicycles oder ROSE Bikes vertiefen ihre Beziehung zu den Kund:innen mit sogenannten «Community-Rides», also Ausfahrten mit anschließendem Socializing bei kühlen alkoholfreien Drinks im eigenen Store. Feierabendtouren oder Ausfahrten am Wochenende stärken nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, sondern sind ein idealer Weg, auch im Alltag den ganzen Körper zu trainieren und sich nebenbei über Produktneuheiten auszutauschen. «Schaut man sich auf den Straßen und Wegen mancher Großstädte um, so entsteht schnell der Eindruck: Sportliches Radfahren ist das neue Yoga!», so die Beobachtung von Pablo Ziller, Pressesprecher beim ZIV. «Viele wollen raus aus ihren Fitnessstudios und sich an der frischen Luft bewegen. Radfahren bietet im Rausch der Geschwindigkeit ein optimales Training und macht eine Menge Spaß!».
Die Female Cycling Force organisiert in verschiedenen deutschen Großstädten wöchentliche Ausfahrten für Frauen. (https://www.instagram.com/femalecyclingforce/ 04.09.25)
Die Deutsche Ricarda Bauernfeind aus Eichstätt auf ihrem Canyon Aeroad CFR auf der diesjährigen Tour de France der Frauen.
Frauen auf der Überholspur
Zu den Neukund:innen unter den Gravel- und Rennradbegeisterten gehören besonders auch junge Frauen. Denn das gemeinsame Fahren in den Social Rides ist keine reine Egoshow mehr, was Rennradfahrern oft nachgesagt wurde, es wird immer mehr zum echten Teamerlebnis. Im Windschatten formiert sich ein starker Verband mit wechselndem Tritt in der Führung. Neben der sozialen Infrastruktur, die in diesen Gruppen etabliert wird, spielt auch die auf den Straßen existierende Radinfrastruktur eine treibende Rolle: «Städte und Regionen, die in den letzten Jahren die Fahrradinfrastruktur ausgebaut haben, bringen neue Zielgruppen aufs Fahrrad, darunter ganz besonders auch junge Frauen, die sich zuvor im Straßenverkehr nicht sicher gefühlt haben», bestätigt Anke Schäffner, Leiterin für Politik beim ZIV. Ein neu erbauter Radschnellweg im Münchner Umland zieht nach Feierabend sehr viele Rennradfahrer:innen an.
Tour de France der Frauen mit deutschem Teilerfolg
Wichtiger Treiber für diese Entwicklungen ist unter anderem die steigende Bekanntheit von Profi-Radsportlerinnen und Fahrrad-Influencerinnen. Bei der viel beachteten Tour de France der Frauen in diesem Jahr dominierte Pauline Ferrand-Prévot im Gelben Trikot, womit sie als erste Französin seit 36 Jahren die Rundfahrt gewann. Die Deutsche Ricarda Bauernfeind aus Eichstätt sorgte für einen echten Tour-Höhepunkt: Die 23-Jährige gewann solo die fünfte Etappe – ihr bislang größter Karriereerfolg – und setzte damit ein starkes Zeichen für den deutschen Frauen-Radsport. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte sie: «Wir spüren als Fahrerinnen das wachsende Interesse und die stärkere Präsenz unseres Sports in den Medien.» Diese Frauen zeigen der breiten Öffentlichkeit, dass sportliche Fahrräder nicht nur etwas für Männer sind.
Junge Frauen finden zum Radsport über Rolemodels aus den sozialen Medien. «Auch das Bikepacking, also meist mehrtägige Fahrradtouren mit Gepäck, werden für Frauen zunehmend wieder attraktiver», beobachtet ZIV-Tourismus-Expertin Svenja Golombek. Und auch im Alltag spricht diese umweltfreundliche Form der Mobilität die junge Zielgruppe nachhaltig an. Gut 20 Prozent der Gravelbikes werden laut dem Koblenzer Unternehmen Canyon von der weiblichen Kundschaft gekauft.
Insbesondere der Markt für Gravelbikes ohne Motor boomte laut ZIV im Jahr 2024 ganz besonders.
«Graveln» bedeutet Fahrrad fahren auf eher unbefestigten, nicht zu steilen Wegen. Gravelbikes sind echte Alleskönner für Sport und Freizeit, aber auch auf dem Weg zur Arbeit.
Beliebtheit nimmt Fahrt auf
Die Zahlen der Gravel- und Rennrad-Absätze machen der Fahrradbranche Mut und zeigen einen deutlichen Trend im Markt. Renn-, Gravel- oder Triathlonräder ohne Motorunterstützung erreichten im Jahr 2024 zusammen einen Anteil von 11,5 Prozent im Gesamtmarkt, eine Steigerung von 2,5 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr (Quelle: ZIV-Marktdaten). Die absoluten Verkaufszahlen von Gravel- und Roadbikes stiegen von 178.000 auf 238.000, also um 33 Prozent. Seit 2024 weist der ZIV die Zahlen von Gravelbikes gesondert aus. Demnach wurden 2024 137.000 Gravelbikes verkauft, ein Anteil von rund 58 Prozent. Während in der Branche besonders die Verkäufe von E-Bikes gestiegen sind, zeigt sich in den steigenden Absätzen von klassischen Fahrrädern ohne Motor beim Thema Graveln auch ein robuster Gegentrend zu Rädern ohne Motorunterstützung: Für viele junge Menschen bleiben die eigenen Beine der stärkste Antrieb für eine gelungene Ausfahrt.
Wiebke Lühmann präsentiert ihre Bikepacking-Adventures auf dem eigenen Gravelbike in den sozialen Medien (https://www.instagram.com/wiebkelueh/ 02.09.25).
Julia Schuler ist eine der erfolgreichsten Rad-Influencerinnen in Deutschland mit über 600.000 Followern auf Instagram (https://www.instagram.com/juliaalinaschlr/ 04.09.25).