Parlamentarischer Abend: Austausch über Herausforderungen für die Branche

Am 15. Mai 2025 veranstaltete der ZIV als Auftakt seiner Jahrestagung einen Parlamentarischen Abend in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg in Berlin. Geladen waren Vertreter:innen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Verbänden. Durch den Abend führte die Moderatorin Janine Steeger. Inhaltlich standen der Austausch über die politische Lage nach Bildung der neuen Bundesregierung und die aktuellen Herausforderungen der Fahrradbranche im Mittelpunkt des Abends.
Impulsvortrag «(Fahrrad)Mobilität Made in Germany» mit Ruth Damwerth, Historikerin & Buchautorin
Fahrrad «Made in Germany»
Deutschland hat eine neue Bundesregierung. Der politische Druck für Veränderung und die Erwartungen an die neue Regierung, um die deutsche Wirtschaft resilient und fit für die Herausforderungen dieser Zeit zu machen, sind hoch. Die Fahrradindustrie spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Wertschöpfung der deutschen Industrie. Viele Unternehmen produzieren am Standort Deutschland und schaffen hunderttausende Arbeitsplätze, renommierte Qualitätsprodukte und nachhaltige Innovationen – und das schon seit weit mehr als einhundert Jahren, getragen von vielen großen Marken und starken Persönlichkeiten.

Auf diese lange Geschichte blickend eröffnete die Historikerin und Buchautorin Ruth Damwerth mit ihrem Impuls «(Fahrrad)Mobilität Made in Germany» den Abend und gab spannende Einblicke in die Fahrradproduktion am Standort Deutschland der vergangenen Dekaden. Der Werdegang der Zweiradindustrie – die Erfindung des Laufrades, dann die Entwicklung des Fahrrads und schließlich die Revolution beim E-Bike – zeigt anschaulich, wie die Fahrradindustrie maßgeblich dazu beigetragen hat, die Mobilität in Deutschland mehrfach zu revolutionieren.

Bernhard Lange, Geschäftsführer der Paul Lange GmbH & Co. KG und ZIV-Präsidiums- und Vorstandsmitglied, schloss in seiner Begrüßung an diese Historie an und verwies auf die große Bedeutung dieser mittelständisch geprägten Industrie hin. Um das Fahrrad auch heute als Triebkraft für Mobilität starkzumachen, brauche es gute und stabile politische Rahmenbedingungen und Anbindungspunkte zwischen dem Fahrrad und anderen Verkehrsmitteln, so Lange.
ZIV-Präsidiumsmitglied Bernhard Lange von der Paul Lange GmbH & Co. KG
Daniel Mouratidis, Leiter der Vertretung des Landes Baden-Württemberg
Danach folgte ein Grußwort von Daniel Mouratidis, Leiter der Vertretung des Landes Baden-Württemberg. Er legte in seinem Vortrag dar, wie der Radverkehr in «The Länd», wie sich Baden-Württemberg selbst in seiner Dachmarkenkampagne nennt, durch gute Stadtplanung und politische Initiativen gegenwärtig im Südwesten vorangetrieben wird.
Gemeinsame Mobilität
Anke Schäffner, Leiterin für Politik und Interessenvertretung beim ZIV, die kurzfristig für Dr. Sandra Wolf (CEO, Riese & Müller) eingesprungen war, gab dem Publikum anschließend zahlreiche Impulse über die notwendigen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Fahrradproduktion in Deutschland und Europa. Wie die ZIV-Marktdaten unterstreichen, ist Deutschland Leitmarkt im Bereich Fahrrad und E-Bike. Doch aktuell fehle es besonders an förderlichen Rahmenbedingungen und Planbarkeit, auch auf EU-Ebene, so Schäffner. Fehlende Verlässlichkeit zu rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die politische Ungewissheit über die Zukunft des europäischen Lieferkettengesetzes (CSDDD), stellten große Hürden für viele Unternehmen dar.
Andreas Rade, Geschäftsführer für Politik und Gesellschaft beim Verband der Automobilindustrie (VDA)
Die Richtung, zu mehr branchenübergreifenden Austausch, schlug anschließend auch Andreas Rade, Geschäftsführer für Politik und Gesellschaft beim Verband der Automobilindustrie (VDA) ein. Die Einladung an den VDA-Repräsentanten durch den ZIV erfolgte nicht grundlos: Wie Rade betonte, teilten sich die Verbände viele gemeinsame Mitglieder. Beide Industrien – Auto und Fahrrad – verfügen über einen starken Fokus auf die Elektromobilität und beide Industrien blicken mit Sorge auf die politischen Hürden für ihr unternehmerisches Handeln. Herausforderungen, wie hohe Energiekosten, ausufernde Bürokratie oder den um sich greifenden Fachkräftemangel, schränken beide Fahrzeugindustrien ein. Ebenso seien beide Industrien global sehr erfolgreiche Player, die besonders jetzt politische Stabilität benötigen – nicht zuletzt, weil sie dem Land sehr viele Arbeitsplätze bereitstellten.
Panel-Diskussion: Politik und Wirtschaft Seite an Seite
Bei der anschließenden Panel-Diskussion sprachen die Politiker:innen Sandra Stein (MdB, Bündnis 90/Die Grünen) und Henning Rehbaum (MdB, CDU) mit der Unternehmerin Johanna Grabner-Urkauf (Geschäftsführerin KTM Fahrrad GmbH) und den beiden Vorredner:innen Andreas Rade und Anke Schäffner. Im Mittelpunkt der Diskussion standen der neue Koalitionsvertrag, Anreize für die Mobilitätswende, der Fachkräftemangel und das deutsche Mammutthema Bürokratieabbau.

Alle Teilnehmenden des Panels waren sich darüber einig, dass die Uhr für ein politisches Handeln ticke, um den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder zukunftsfest zu machen. Henning Rehbaum (CDU) betonte, dass der neue Koalitionsvertrag an vielen Problemen der Industrie ansetze: Anreize zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, Entlastungen bei Abschreibungen für Unternehmen sowie ein beschleunigter Ausbau der Infrastruktur sollen dafür sorgen, der Industrie schnell aus der momentanen Krise zu helfen. Auch die Grünen-Politikerin und Unternehmerin Sandra Stein bewertete diese Initiativen als gut. Sie brachte zudem ein, dass eine dezentrale Energieversorgung durch erneuerbare, statt fossile, Energien, langfristig für mehr Sicherheit sorge und eine zukunftsgerichtete Produktion ermöglichen könne. Diesen Punkt sehe sie momentan in den Regierungsvorhaben nicht ausreichend adressiert.
Panel-Diskutant:innen: Bürokratie mit Maß und Verstand
Auf die Themen Sicherheit und Planung wurde auch im Bezug zum Bürokratieabbau aufmerksam gemacht. Während die Sicherheits- und Menschenrechtsstandards, die hinter Gesetzen wie dem Lieferkettengesetz stehen, dafür sorgen, dass in Deutschland und der EU hochwertig Qualitätsstandards eingehalten werden, brauche es einen Bürokratieabbau mit Maß und Verstand. Denn extra Auflagen fressen Kapazitäten, schaden besonders kleinen Unternehmen und sorgen für Verwirrung seitens der produzierenden Industrie.

Wege zur Steigerung der Produktivität fanden immer wieder Anklang in den Impulsen. Die Fahrradindustrie beschäftigt viele ausländische Fachkräfte. Grabner-Urkauf, deren Unternehmen in Österreich sitzt, betonte die Wichtigkeit der Freizügigkeit innerhalb der EU für ihr wirtschaftliches Handeln. Anke Schäffner ergänzte, dass neben ausländischen Fachkräften auch die Ausbildung eine wichtige Rolle spiele. Der ZIV bemüht sich mit Angeboten wie dem Azubi-Tag, den Auszubildenden die Wichtigkeit ihrer Arbeit sowie die verschiedenen Zukunftsperspektiven zu verdeutlichen. Doch vielerorts fehlt es an Berufsschulen für Zweiradmechatronik oder an der Wertschätzung von Ausbildungsabschlüssen im Handwerk. MdB Sandra Stein betonte, dass auch das oft nicht ausreichende Angebot an Kinderbetreuung ein Hemmnis für die deutsche Wirtschaft sei. Dadurch könne das volle Potenzial von Fachkräften, häufig Frauen, nicht gut ausgeschöpft werden.
Doch die Branche hat auch vieles zu bieten, was die Mobilität von Arbeitskräften erleichtert: Angebote wie das Dienstrad-Leasing erfreuen sich demnach auch immer größerer Beliebtheit.
Unterm Strich waren sich die Speaker:innen einig, dass es neben Kooperation mit der Politik, mehr Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Mobilitätsindustrien braucht – auch EU-weit.
Stark für die Zukunft
Tony Grimaldi (Vorstandsvorsitzender, Cycling Industries Europe – CIE) rundete den inhaltlichen Teil des Abends mit einem Impuls zur europäischen Fahrradindustrie ab. Die europäische Fahrradindustrie repräsentiert rund 1 Million Jobs in Europa und mit der European Declaration on Cycling, die im April 2024 unterzeichnet wurde, soll diese Zahl bis 2030 verdoppelt und das Fahrrad als zentraler wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Player in Europa gestärkt werden.

Abschließend sprach Burkhard Stork, Geschäftsführer beim ZIV – Die Fahrradindustrie, zum versammelten Publikum. Er ging er auf die vielen Schnittstellen bei den Herausforderungen zwischen der Fahrradindustrie und der gesamten wirtschaftlichen Infrastruktur des Landes ein. Modernisierung und Bürokratieabbau seien Themen, die über die Fahrradindustrie hinausgingen: «Wir sind an unendlich vielen Stellen verkrustet, wir brauchen eine Aufbruchsstimmung, teilweise auch mehr Zentralisierung und eine Klärung von Zuständigkeiten und ein Mehr an Planbarkeit», appellierte Stork in Richtung der neuen Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz.
Tony Grimaldi (Vorstandsvorsitzender, Cycling Industries Europe – CIE
v. r.: Johanna Grabner-Urkauf freute sich mit Burkhard Stork
Auch freute sich Burkhard Stork darüber, die starke Historie der Industrie und des Verbandes mit einer Ehrung zu unterstreichen. Die KTM Fahrrad GmbH wurde in diesem Rahmen zu ihrer 50-jährigen Mitgliedschaft im ZIV herzlich beglückwünscht und mit einer Urkunde beschenkt, die Firmenvertreterin Johanna Grabner-Urkauf freudig entgegennahm.
Networking bei Speisen und Getränken
Nach den vielen Impulsen und Diskussionen klang der Abend mit einem Get-Together langsam aus. Schwäbische Snacks und Getränke vom Schwarzwald bis zum Neckar wurden serviert und es gab Gelegenheit zum ausgiebigen Netzwerken.
Der ZIV bedankt sich bei allen Teilnehmenden und Gästen für den gelungenen Abend.
im Publikum: Paul Walsh, neuer CEO bei Cycling Industries Europe
Networking bei schwäbischen Snacks und Drinks
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