Tourismus-Gamechanger E-Bike

Das Radfahren im Wald und in den Bergen ist hoch im Kurs. Besonders das E-Mountainbiking ist ein wertvoller und an Popularität stetig wachsender Bestandteil des Tourismus in Deutschlands Mittelgebirgsregionen.

Das Fichtelgebirge verzeichnet trotz regionaler Herausforderungen seit 15 Jahren eine Zunahme von Übernachtungszahlen und touristischem Umsatz. Die Region positioniert sich als naturnahe Erholungsregion, mit Angeboten wie Wandern und Radfahren, Thermenbesuchen und kulturellen Erlebnissen. Der Fokus liegt auf naturverbundenem und nachhaltigem Tourismus, der die lokale Kultur einbezieht. Im Mittelpunkt der aktuellen und künftigen Entwicklung steht ein nachhaltiges, breit gefächerten Freizeitangebot mit der Stärkung des Radfahrens für verschiedenste Zielgruppen.

Wie der Radtourismus die Wirtschaft dieser Regionen belebt, welche besonderen Geländeanforderungen dort herrschen und wie das Radfahren umweltverträglich und nachhaltig integriert werden kann, erzählt Ferdinand Reb, Geschäftsführer der Tourismuszentrale Fichtelgebirge im ZIV-Interview.
Herr Reb, als langjähriger Geschäftsführer der Tourismuszentrale Fichtelgebirge sind Sie mit den Gegebenheiten der Region bestens vertraut. Was waren besondere Herausforderungen und Erfolge?

Mit der gezielten Stärkung des Tourismus im Fichtelgebirge sind wir zusammen in der Region einen wichtigen und sehr erfolgreichen Weg gegangen. Man darf nicht vergessen, dass es hier, wie in anderen Regionen auch, einen enormen Strukturwandel gegeben hat. Wenn wir 30 oder 40 Jahre zurückschauen, da war das Fichtelgebirge noch stark geprägt von Textil und Porzellanindustrie mit großen Fabriken. Im Laufe der Globalisierung, der Osterweiterung etc. haben wir hier Produktionsstandorte und Wirtschaftskraft verloren. Mit dem Wegbrechen der Arbeitsplätze sind auch Teile der Bevölkerung weggezogen. Die Not war also groß, hier tragfähige Perspektiven zu entwickeln – und das ist uns mit einer guten Strategie und Investitionen in den Tourismus gelungen.

Wie steht der Tourismus heute bei Ihnen da und welche Bedeutung hat er in der Region?

Trotz aller regionalen Herausforderungen verzeichnen wir im Fichtelgebirge seit 15 Jahren eine Zunahme bei den Übernachtungszahlen und beim touristischen Umsatz. Die Kommunen arbeiten sehr gut zusammen und der Tourismus unterstützt die Wirtschaft in der Region spürbar. Wir haben eine Umsatzsteigerung von 440 Millionen auf aktuell 692 Millionen Euro im Tourismus. Das ist eine Entwicklung, die sich durchaus sehen lassen kann.

Der wachsende Tourismus wirkt sich also positiv auf Ihre Region aus?

Sehr positiv! Die wachsenden Umsätze stärken den Tourismus als Erwerbszweig für die Region und darüber hinaus natürlich zahlreiche weitere Gewerbe, darunter Dienstleister und Handwerksbetriebe, die beispielsweise Neubauten erstellen, Renovierungen durchführen und vieles mehr. Wichtig ist, dass wir, im Vergleich zu anderen, zum Teil überlaufenen Regionen, auch eine hohe Tourismusakzeptanz der Einwohner haben. Das ist wichtig, denn wenn sich der Einwohner hier wohlfühlt, dann fühlt sich auch der Gast willkommen und wohl.

Viele Mittelgebirgsregionen entdecken das Radfahren als neuen Faktor für sich. Ersetzt das Mountainbike künftig den Wintersport?

Langfristig will sich die Region Fichtelgebirge verstärkt als ganzjähriges Ziel für naturnahe nachhaltige Freizeitangebote und Aktivitäten etablieren und daher besonders das Radfahren noch stärker fördern. Dabei haben wir auch das Thema Mountainbike im Blick. Generell gilt: Die Menschen kommen zum Erholen hierher, sie mögen das Regionale, kombiniert mit Natur, Wandern, Radfahren. Was wir uns zudem wünschen, und daran arbeiten wir, das ist ein Publikum mit einer nochmal stärkeren Outdoor-Affinität.

Was hat sich mit der weiten Verbreitung von E-Bikes verändert?

Das E-Bike ist ein echter Gamechanger im ländlichen und Mittelgebirgsfahrradtourismus – mit allen Vor- und Nachteilen. Der große vorteilhafte Effekt ist, dass die Anzahl der Menschen, die sich im Mittelgebirge aufs Fahrrad setzt, deutlich gestiegen ist. Deshalb muss man entsprechende Wege vorhalten. Der vergleichsweise geringe Nachteil ist, dass viele Menschen jetzt an Stellen kommen, an die sie ohne Motor-Unterstützung normalerweise nicht gekommen wären. Das kann schon mal zu Problemen führen. Hier helfen lokale Guiding-Unternehmen und Mountainbike-Schulen, die Kurse für Neueinsteiger auf dem E-Bike oder diejenigen mit E-MTB anbieten, die gerne mal auf Trails fahren wollen. Unterm Strich ist das E-Bike definitiv ein Segen für uns.


Das E-Bike ist ein echter Gamechanger im ländlichen und Mittelgebirgsfahrradtourismus!
Ferdinand Reb | Tourismuszentrale Fichtelgebirge, Geschäftsführer

Welche Zielgruppen und welche Radfahrenden sprechen Sie an?
Unsere Untersuchungen zeigen, dass unsere Gäste ungefähr dem Altersdurchschnitt der Bevölkerung, also Ende 40, entsprechen und regional aus einem Gebiet mit rund drei Stunden Anfahrt über die Autobahn zu uns kommen. Viele Radfahrende sind am liebsten auf ausgebauten Wegen unterwegs oder sie bevorzugen beim Wandern und Radfahren Waldwege. In der Vergangenheit haben wir viele Radwege in der Region ausgebaut – es gibt damit ein sehr gutes Netz. Daneben haben wir eine sehr gute Forstwegstruktur. Damit sind wir eher gravel-technisch prädestiniert. An unserem Hausberg, dem Ochsenkopf, haben wir zudem einen kleinen Mountainbikepark mit Downhill-Strecken errichtet. Dort entstehen jetzt auch im Zuge eines Seilbahnbaus weitere Flowtrails. Letztlich wollen wir für jeden etwas anbieten.

Wie geht die Region mit der zunehmenden Popularität des Mountainbikens um? Wo sehen Sie gegebenenfalls Konflikte?

Wir haben seit August 2024 ein Förderprojekt laufen mit dem Ziel, ein flächendeckendes Mountainbike-Netz auf bestehende Wege zu setzen, das mit den Grundstückseigentümern abgestimmt und ökologisch verträglich ist. Zudem prüfen wir aktuell die Möglichkeiten für einen zweiten Bikepark. Grundsätzlich sehen wir bislang keine wesentlichen Konflikte. Es hilft sehr, wenn sich die Menschen rücksichtsvoll verhalten. Das ist hier gegeben. Aber natürlich gibt es auch Situationen, wo wir Schilder anbringen, die informieren, hier gibt es einen ‚Shared Trail‘, den Wanderer und Mountainbiker rücksichtsvoll gemeinsam nutzen dürfen.

Wie reagiert die Region auf die Folgen des Klimawandels für den Wintertourismus?

Mit dem Thema setzen wir uns schon seit einigen Jahren auseinander und haben uns darauf eingerichtet. Das heißt, wenn Schnee angekündigt ist, dann wird präpariert und dann bieten wir das kurzfristig an. Wir haben auch Loipen, die in verschiedenen Höhenlagen angelegt sind, sodass wir eine Alternative bieten können, wenn der Schnee in tieferen Lagen ausbleibt. Wenn man in die Zukunft schaut, dann wird irgendwann aber auch die Entscheidung kommen müssen, dass ein Mittelgebirge sagt, okay, selbst wenn Schnee da ist, bieten wir Wintersportmöglichkeiten nicht mehr an, weil es beispielsweise wirtschaftlich keinen Sinn macht Rüstzeug und Personal vorrätig zu halten. Im Sinne des Ganzjahrestourismus werden dann aber u.a. Wandern und Radfahren eine gute Alternative sein.

Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um das Waldgebiet für Touristen zugänglicher zu gestalten?

Wir haben das Glück, dass unsere Forstbetriebe bereits vor 30 Jahren den Waldumbau begonnen haben. Damit hatten wir bereits sehr frühzeitig ziemlich ideale Voraussetzungen für den Erhalt des Waldes und attraktive Wander- und Radwege. Heute arbeiten wir mit einem Meldesystem, das Sperrungen durch Holzeinschlag in Echtzeit verfügbar macht und mit dem wir Ausweichrouten ausweisen können. Für Wanderer und Radfahrende ist das großartig. Zudem arbeiten wir im Rahmen eines Förderprogramms an der Routendigitalisierung.

Was ist ihr Fazit und Ausblick mit Blick auf die Mittelgebirge im Allgemeinen und das Fichtelgebirge im Besonderen?

Ein wichtiges Thema sind aus meiner Sicht die aktiven Älteren, also der Blick auf die geburtenstarken Jahrgänge. Wenn man jetzt zum Beispiel ein E-Mountainbike ausprobiert und für sich feststellt, das ist eine coole Sache, dann will man das wahrscheinlich auch noch mit 70 Jahren oder vielleicht länger fahren – genauso, wie es auch ältere Skifahrer gibt. Viel ruhiger, viel weniger Action, dafür viel mehr auf den Naturgenuss ausgelegt. Da kommt sicher bald eine spürbare Welle.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine Überalterung des aktuellen Stammpublikums. Was muss man hier in Zukunft tun?

Richtig. Zur Wahrheit gehört auch, dass Teile des etablierten Publikums älter werden und irgendwann wegbleiben. Wenn wir hier positive Veränderungen haben wollen, müssen wir in Bewegung bleiben und uns in den Mittelgebirgen darauf einstellen. Das heißt, wir müssen uns verstärkt um neue Kundengruppen, ein verändertes Freizeitverhalten und den internationalen Markt kümmern. Das E-Bike gehört für uns hier auf jeden Fall mit in den Fokus.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Reb!

Hintergrund | Tourismusmagnet Mittelgebirge
Mittelgebirgsregionen werden als Lebens-, Wirtschafts- und Kulturraum vielfach unterschätzt – auch im Tourismus. Dabei verbringen jedes Jahr mehr Bundesbürger ihren Urlaub in den deutschen Mittelgebirgs-Ferienregionen als in Frankreich, Spanien und Italien zusammen und generieren so rund 120 Millionen Gästeübernachtungen, so der Bundesverband Deutsche Mittelgebirge. Etwa 40 Prozent aller Übernachtungen abseits des Städtetourismus in Deutschland entfallen auf die Mittelgebirge und damit mehr als doppelt so viele wie Nord- und Ostsee zusammen (19 Prozent) und viermal mehr als die Alpen-Destinationen (9 Prozent).
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