ZIV stellt erste vergleichende Studie zu Speed-Pedelecs (E-Bike 45) in Europa vor

Berlin, 23. November 2023 | Der Verband ZIV – Die Fahrradindustrie hat die erste vergleichende Studie zur Kategorie der Speed-Pedelecs (E-Bike 45) in Europa vorgelegt. Im Rahmen der Studie wurden die unterschiedlichen Regulierungen und Erfahrungen mit den bis zu 45 km/h schnellen Fahrzeugen in Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz durch das niederländische Beratungsunternehmen für nachhaltige Mobilität Mobycon untersucht.

Hintergrund der Studie ist zum einen, dass Speed-Pedelecs in vielen europäischen Ländern immer beliebter werden, was auch mit den Regulierungen zur Nutzung zusammenhängt. Dazu kommt, dass S-Pedelecs nach Meinung führender Expert:innen ein wichtiger Hebel für die Mobilitätswende sein können. Vor allem für Pendler:innen mit längeren Wegen wird mit den leistungsstarken S-Pedelecs eine gesunde und umweltfreundliche Alternative für den Pkw geschaffen. «Aus vielen Gesprächen, auch mit Expert:innen und Entscheider:innen aus der Politik wissen wir, dass es einen großen Bedarf an Informationen zum Thema S-Pedelecs gibt», sagt ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork. «Wir freuen uns sehr, dass wir jetzt viele wichtige Informationen zu Speed-Pedelecs im europäischen Vergleich komprimiert in einer Studie zusammenführen konnten, und damit eine umfassende und objektive Basis als Grundlage für Gespräche mit der Politik und wichtigen Anspruchsgruppen haben.» Leitfragen der Studie waren: Welchen Regulierungen unterliegen S-Pedelecs in den untersuchten Ländern, gibt es ein auffälliges Unfallgeschehen, wo fahren sie am sichersten und was können wir für die Regulierung von S-Pedelecs von anderen Ländern lernen?

Insgesamt sieht die Fahrradindustrie große Potenziale, mit der Kategorie der S-Pedelecs Lösungsangebote für nachhaltige Mobilität zu bieten, neue Kundengruppen anzusprechen und technische Innovationen voranzutreiben. Dass S-Pedelecs bei entsprechend anwenderfreundlichen Regeln, verbunden mit einer guten Infrastruktur hervorragend angenommen werden, zeigt zum Beispiel die Schweiz. Bei den Verkaufszahlen kamen S-Pedelecs zuletzt auf einen Marktanteil von ca. 20–25 Prozent im E-Bike-Markt. Zum Vergleich: In Deutschland, wo die Regeln für die S-Pedelec-Nutzung bislang sehr restriktiv sind, kamen S-Pedelecs in der Modellgruppe der E-Bikes im Jahr 2022 gerade mal auf einen Marktanteil von 0,5 Prozent, was einer Verkaufszahl von 11.000 Stück (2021: 8.000 Stk.) entspricht.

Anke Schäffner, die als Leiterin Politik und Interessenvertretung die Erstellung der Speed-Pedelec-Studie inhaltlich gesteuert hat, betont das Spannungsverhältnis zwischen dem Nutzen von S-Pedelecs als wichtigen Baustein für die Mobilitätswende und den vorhandenen, teilweise begrenzten Kenntnissen und oftmals antizipierten Gefahren. Hier gebe es Informationsbedarf. „Wir sehen bislang viel Halbwissen und Vorurteile, was die Nutzung von S-Pedelecs und potenzielle Gefahren mit Blick auf die Nutzenden selbst sowie andere Verkehrsteilnehmende, darunter vor allem Radfahrende und Zufußgehende, angeht. Die Studie bringt hier wichtige Erkenntnisse, die erstmals eine objektive Bewertung ermöglichen – auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen und gesetzlichen Regelungen aus den europäischen Nachbarländern.»

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich die Regulierung von Speed-Pedelecs in allen untersuchten Ländern im Spannungsfeld zwischen der Förderung emissionsfreier, nachhaltigerer Mobilität und dem Schutz der Menschen zu Fuß und auf konventionellen Fahrrädern bewegt. Während die Fahrzeugklasse EU-weit einheitlich ist (Fahrzeugkategorie L1 e-B), unterscheidet sich der Umgang zur Nutzung von Radinfrastrukturen, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Zugangsvoraussetzungen stark zwischen den einzelnen Ländern. Die Studie hat dazu die Regeln in Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden, und der Schweiz systematisch erfasst und übersichtlich gegenübergestellt. Dazu gibt es einen Überblick über die Unterschiede der regulatorischen Rahmenbedingungen, über zu erwartende Änderungen sowie verfügbare Studien und Evaluationsergebnisse. Methodisch ergänzte das Projektteam die Ergebnisse des Desk Researchs mit einer Reihe von Expert:innen-Interviews.

Für den ZIV bildet die Studie eine wichtige Grundlage für die Positionierung und Formulierung von Forderungen, mit dem Ziel, die Nutzung von S-Pedelecs in Deutschland attraktiver zu gestalten.

Die zentralen Studienergebnisse finden Sie weiter unten im Überblick.
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ZIV – Die Fahrradindustrie
Der ZIV ist die Interessenvertretung und starke Stimme der Fahrradindustrie. Als Branchenverband bündelt und vertritt der ZIV rund 120 Mitgliedsunternehmen gegenüber den Gesetzgebern in der EU und in Deutschland, der Regierung, Behörden, Medien, Institutionen und Organisationen. 90 Prozent der 2022 in Deutschland produzierten Fahrräder und E-Bikes stammen von Mitgliedsunternehmen des ZIV, die zusätzlich zum Absatz im Binnenmarkt jährlich 2 Mio. Fahrzeuge exportieren. Der ZIV vertritt etablierte Unternehmen und Start-ups, produzierendes Gewerbe und Handel (inklusive Import und Großhandel) sowie Akteure aus dem gesamten Ecosystem Fahrrad.

Mobycon
Mobycon ist ein unabhängiges Beratungsunternehmen aus den Niederlanden mit mehr als 35 Jahren Erfahrung, das sich auf die Entwicklung und Implementierung innovativer und nachhaltiger Mobilitätslösungen im In- und Ausland spezialisiert hat. Mobycon wurde 1986 in Delft gegründet und hat mittlerweile Büros in Den Bosch, Zwolle, Ottawa (CA) und Durham (US). Als multidisziplinäres Team aus den Bereichen Verkehrsingenieurwesen, Stadtplanung, Ökonomie, Geographie und Kommunikation bietet Mobycon vielfältige, integrierte Mobilitätsprodukte und Beratungsdienstleistungen. Unsere Arbeit unterstützt die Entwicklung gesunder, vernetzter und lebensfähiger Gemeinschaften, die weniger abhängig vom Auto sind.



Pressekontakt
Reiner Kolberg, ZIV – Die Fahrradindustrie, Reinhardtstraße 7, 10117 Berlin, Tel.: +49 30 439 735 767, presse@ziv-zweirad.de

Zentrale Studienerkenntnisse
Umstiegspotenzial von Pkw auf Speed-Pedelecs
Das Umstiegspotenzial von Pkw auf S-Pedelecs ist nach den Ergebnissen der ZIV Speed-Pedelec-Studie evident.

Sicherheit: Straße vs. Radverkehrsanlagen
Versuche in den Niederlanden zeigen, dass S-Pedelec-Nutzende bei freier Wahl häufig die – dort in der Regel hervorragende – Fahrradinfrastruktur gegenüber dem Straßenraum bevorzugen. Der Grund dafür liegt nach den Erkenntnissen der Niederländer im subjektiven Sicherheitsempfinden. Für eine generelle Aussage, ob S-Pedelec-Fahrende auch objektiv sicherer auf Radverkehrsanlagen als auf der Straße fahren, reicht die Datenlage in den untersuchten Ländern bislang nicht aus. Auch mit Blick auf die Unfalldaten ist eine eindeutige Aussage zur sichersten Führung von S-Pedelecs derzeit nicht möglich.

Unfallrisiken und -folgen
Die vorliegenden Daten zeigen kein erhöhtes Unfallrisiko von S-Pedelecs im Vergleich zu konventionellen Fahrrädern. Insbesondere gibt es keine auffälligen Häufungen von Unfällen zwischen S-Pedelecs und Fahrrad- bzw. Fußverkehr. Die öfter in Diskussionen vertretene These einer Gefährdung von Radfahrenden und Zufußgehenden kann also durch die vorliegenden Erkenntnisse nicht belegt werden.
Was aus den Studien jedoch hervorgeht ist, dass die Folgen eines Unfalls mit S-Pedelecs oft schwerwiegender sind, was sich primär durch die höheren Geschwindigkeiten erklärt.

Reisegeschwindigkeiten am Beispiel Niederlande und Belgien
Untersuchungen in den Niederlanden und Belgien zeigen, dass S-Pedelec-Fahrende ihre Geschwindigkeit situativ anpassen und in den wenigsten Fällen die zulässige maximal unterstützte Geschwindigkeit von 45 km/h erreicht wird. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit beträgt Auswertungen zufolge in den Niederlanden und Belgien zwischen 29 km/h und 37 km/h. Damit liegt sie deutlich höher als die Durchschnittsgeschwindigkeit von Radfahrenden oder Pedelec-Nutzenden, aber eben auch deutlich unter 45 km/h.
Die Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass ggf. vorhandene Geschwindigkeitsbegrenzungen, die es in einigen Ländern gibt, nicht immer eingehalten werden.

S-Pedelec-Nutzende: Beispiel Niederlande
Eine wichtige Frage ist, wer S-Pedelecs nutzt. Untersuchungen aus den Niederlanden kamen hier zu aufschlussreichen Ergebnissen. Demnach ist die Nutzergruppe sehr homogen. 80 Prozent der S-Pedelec-Nutzenden sind männlich, zwei Drittel sind zwischen 45 und 65 Jahre alt. Weitere 18 Prozent sind in einem Alter zwischen 35 und 45 Jahren.

Regulierung: weniger Restriktionen fördern S-Pedelec-Nutzung
Die Länder der EU und inzwischen auch die Bundesländer in Deutschland gehen verschiedene Wege in Bezug auf die Regulierungen der Nutzung von S-Pedelecs. Dabei fließen neue Erkenntnisse in Entscheidungen ein und es gibt Pilotprojekte, mit denen die Förderung der jungen Produktkategorie unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten untersucht wird. Mit Blick auf Deutschland kann man aus ZIV-Sicht feststellen, dass hier ebenso Veränderungen angebracht und Pilotprojekte willkommen sind. Die Initiativen aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gehen hier bezogen auf die gewonnenen Erkenntnisse und allgemeinen Entwicklungen in Europa in die richtige Richtung.