ZIV veröffentlicht erste vergleichende Speed-Pedelec-Studie

In Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Mobycon hat der ZIV eine Studie zur Regulierung von Speed-Pedelecs (E-Bike 45) in ausgewählten europäischen Ländern (D, BE, DK, NL und CH) erstellt. Mit der ersten Studie dieser Art hat der ZIV wichtige Informationen zu dieser Fahrzeugkategorie komprimiert zusammengeführt und damit eine umfassende und objektive Grundlage für Gespräche mit politischen Akteuren und wichtigen Anspruchsgruppen geschaffen werden.
Ziele und Hintergründe der S-Pedelec-Studie
S-Pedelecs können ein wichtiger Hebel zum Erreichen der Klimaziele im Verkehrssektor sein und einen bedeutenden Beitrag zum Gelingen der Verkehrswende beitragen. Vor allem für Pendler:innen mit längeren Wegen wird mit den leistungsstarken S-Pedelecs eine gesunde und umweltfreundliche Alternative für den Pkw geschaffen. In Deutschland können die Fahrzeuge dieses Potenzial aufgrund relativ restriktiver Regulierung bisher nicht ausschöpfen. Einige unserer europäischen Nachbarn haben den regulatorischen Rahmen so gestaltet, dass S-Pedelecs dort deutlich verbreiteter sind. Deshalb hat sich der ZIV entschieden, einen genaueren Blick auf diese Länder, ihre S-Pedelec-Regulierung und ein mögliches Unfallgeschehen zuwerfen – mit den zentralen Fragen: Wo fahren S-Pedelecs am sichersten? Und was lässt sich auf Deutschland übertragen?

Es braucht anwenderfreundliche Regeln und eine gute Infrastruktur
Anke Schäffner | Leiterin Politik und Interessenvertretung
Insgesamt sieht der ZIV zusammen mit der Fahrradindustrie große Potenziale, mit der Kategorie der S-Pedelecs Lösungsangebote für nachhaltige Mobilität anzubieten, neue Kundengruppen anzusprechen, und technische Innovationen voranzutreiben. Dass S-Pedelecs bei entsprechend anwenderfreundlichen Regeln, verbunden mit einer guten Infrastruktur, hervorragend angenommen werden, zeigt zum Beispiel die Schweiz. Bei den Verkaufszahlen kamen S-Pedelecs zuletzt auf einen Marktanteil von ca. 20-25 Prozent im E-Bike-Markt. Zum Vergleich: In Deutschland, wo die Regeln für die S-Pedelec-Nutzung bislang sehr restriktiv sind, kamen S-Pedelecs in der Modellgruppe der E-Bikes im Jahr 2022 gerade mal auf einen Marktanteil von 0,5 Prozent, was einer Verkaufszahl von 11.000 Stück (2021: 8.000 Stk.) entspricht.
Erstmals objektive Bewertung möglich
Anke Schäffner, die als Leiterin Politik und Interessenvertretung die Erstellung der ersten S-Pedelec-Studie inhaltlich gesteuert hat, betont das Spannungsverhältnis zwischen dem Nutzen von S-Pedelecs als wichtiger Baustein für die Mobilitätswende und den vorhandenen, teilweise begrenzten Kenntnissen und oftmals antizipierten Gefahren. Hier gebe es Informationsbedarf. „Wir sehen bislang viel Halbwissen und Vorurteile, was die Nutzung von S-Pedelecs und potenzielle Gefahren mit Blick auf die Nutzenden selbst sowie andere Verkehrsteilnehmende, darunter vor allem Radfahrende und Zufußgehende, angeht. Die Studie bringt hier wichtige Erkenntnisse, die erstmals eine objektive Bewertung ermöglichen – auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen und gesetzlichen Regelungen aus den europäischen Nachbarländern.»

Die ZIV Speed-Pedelec-Studie wurde im November 2023 zusammen mit dem niederländischen Beratungsunternehmen für nachhaltige Mobilität Mobycon erstellt. Sie untersucht und vergleicht die Situation in den EU-Ländern Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz.
Link
Download
Zentrale Erkenntnisse aus ZIV-Sicht
Umstiegspotenzial von Pkw auf Speed-Pedelecs
Das Umstiegspotenzial von Pkw auf S-Pedelecs ist nach den Ergebnissen der ZIV S-Pedelec-Studie evident.

Sicherheit: Straße vs. Radverkehrsanlagen
Versuche in den Niederlanden zeigen, dass S-Pedelec-Nutzende bei freier Wahl häufig die – dort in der Regel hervorragende – Fahrradinfrastruktur gegenüber dem Straßenraum bevorzugen. Der Grund dafür liegt nach den Erkenntnissen der Niederländer im subjektiven Sicherheitsempfinden. Für eine generelle Aussage, ob S-Pedelec-Fahrende auch objektiv sicherer auf Radverkehrsanlagen als auf der Straße fahren, reicht die Datenlage in den untersuchten Ländern bislang nicht aus. Auch mit Blick auf die Unfalldaten ist eine eindeutige Aussage zur sichersten Führung von S-Pedelecs derzeit nicht möglich.

Unfallrisiken und -folgen
Die vorliegenden Daten zeigen kein erhöhtes Unfallrisiko von S-Pedelecs im Vergleich zu konventionellen Fahrrädern. Insbesondere gibt es keine auffälligen Häufungen von Unfällen zwischen S-Pedelecs und Fahrrad- bzw. Fußverkehr. Die öfter in Diskussionen vertretene These einer Gefährdung von Radfahrenden und Zufußgehenden kann also durch die vorliegenden Erkenntnisse nicht belegt werden.
Was aus den Studien jedoch hervorgeht ist, dass die Folgen eines Unfalls mit S-Pedelecs oft schwerwiegender sind, was sich primär durch die höheren Geschwindigkeiten erklärt.

Reisegeschwindigkeiten am Beispiel Niederlande und Belgien
Untersuchungen in den Niederlanden und Belgien zeigen, dass S-Pedelec-Fahrende ihre Geschwindigkeit situativ anpassen und in den wenigsten Fällen die zulässige maximal unterstützte Geschwindigkeit von 45 km/h erreicht wird. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit beträgt Auswertungen zufolge in den Niederlanden und Belgien zwischen 29 km/h und 37 km/h. Damit liegt sie deutlich höher als die Durchschnittsgeschwindigkeit von Radfahrenden oder Pedelec-Nutzenden, aber eben auch deutlich unter 45 km/h.

S-Pedelec-Nutzende: Beispiel Niederlande
Eine wichtige Frage ist, wer S-Pedelecs nutzt. Untersuchungen aus den Niederlanden kamen hier zu aufschlussreichen Ergebnissen. Demnach ist die Nutzergruppe sehr homogen. 80 Prozent der S-Pedelec-Nutzenden sind männlich, zwei Drittel sind zwischen 45 und 65 Jahre alt. Weitere 18 Prozent sind im Alter zwischen 35 und 45 Jahren.

Regulierung: weniger Restriktionen fördern S-Pedelec-Nutzung
Die Länder der EU und inzwischen auch die Bundesländer in Deutschland gehen verschiedene Wege in Bezug auf die Regulierungen der Nutzung von S-Pedelecs. Dabei fließen neue Erkenntnisse in Entscheidungen ein und es gibt Pilotprojekte, mit denen die Förderung der jungen Produktkategorie unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten untersucht wird. Mit Blick auf Deutschland kann man aus ZIV-Sicht feststellen, dass hier ebenso Veränderungen angebracht und Pilotprojekte willkommen sind. Die Initiativen aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gehen hier bezogen auf die gewonnenen Erkenntnisse und allgemeinen Entwicklungen in Europa in die richtige Richtung.